Praxis Schreiben: Linkshänder*innen
Stark mit links – am 13. August ist internationaler Tag der Linkshänder*innen
Der internationale Tag der Linkshänder*innen wurde am 13. August 1976 von dem Amerikaner Dean Campbell ins Leben gerufen. Sein Anliegen war es - und dies gilt auch noch in der heutigen Zeit - auf die Interessen, Bedürfnisse, Belange und Sichtweisen von Linkshänder*innen hinzuweisen.
Als Linkshänder*in in einer rechtshändig orientierten Welt zu leben, setzt ein hohes Mass an Anpassung voraus.
Heute wird der Tag der Linkshänder*innen für Informationsveranstaltungen, Vorträge, Medienberichte und Presseartikel genutzt. Inhaltlich geht es gegenwärtig um die Auseinandersetzung mit Produkten/Arbeitsabläufen unter Berücksichtigung der Händigkeit. Auch Rechtshänder*innen sollen weiterhin für das Thema Linkshändigkeit sensibilisiert werden.
Warum sind manche Menschen linkshändig und manche rechtshändig?
In der Bevölkerung sind Links- und Rechtshändigkeit nicht gleich häufig verteilt, aber auf jeden Fall gleichwertig. Die Händigkeit ist von Geburt an festgelegt und ein Persönlichkeitsmerkmal eines Menschen. Unsere Gehirnhälften bestimmen unsere Händigkeit.
Übernimmt die rechte Gehirnhälfte die Dominanz, liegt eine Linkshändigkeit vor. Ist die linke Gehirnhälfte die Führende, liegt eine Rechtshändigkeit vor. Dominanz bedeutet u.a. die Überlegenheit der linken oder rechten Hand in Bezug auf Feingefühl, Kraft, Ausdauer, Geschicklichkeit, Geschwindigkeit und Präzision.
Bis in die 1970er/Anfang 1980er Jahre wurden linkshändige Kinder umgeschult. Mittlerweile ist wissenschaftlich erwiesen, dass die Umschulung der angeborenen Händigkeit schwere Schäden in der Entwicklung und im Gehirn verursachen kann.
Auch die Schulrichtlinien fast aller deutschen Kultusministerien weisen deutlich darauf hin, dass eine bestehende Linkshändigkeit nicht verändert werden darf. Durch diese Klarstellung in den Schulrichtlinien, und auch in einigen Konzeptionen der Kindergärten, kommen wir dem Ziel näher, dass linkshändige Kinder im Schulleben, besonders beim Schreiben, zurechtkommen und mit den gleichen Chancen wie rechtshändige Kinder starten können.
Chancengleichheit für Linkshänder*innen
Für alle Tätigkeiten gilt, entspannt zu arbeiten. Ob im Kindergarten beim Malen, Basteln, Spielen mit händigkeitsneutralem Spielzeug, in der Schule beim Schreiben, bei der Ausübung der Hobbies z.B. im Sport, beim Musizieren, im Alltag, in der Berufsausbildung und im Beruf z.B. Werkzeuge – es ist ein gesellschaftlicher Auftrag geworden, Linkshänder*innen in ihrer Händigkeit zu fördern und zu unterstützen.
Der gesellschaftliche Auftrag beinhaltet ferner, dass die Hilfe und Unterstützung in unserer rechtshändig orientierten Welt auch durch Rechtshänder*innen begleitet wird, indem sich z.B. rechtshändige Eltern, Pädagog*innen und Ausbilder*innen Wissen und Fachkenntnisse darüber aneignen, wie Bewegungsabläufe für Linkshänder*innen umgesetzt werden können. Primär sind dies Hilfestellungen zum Erlernen spezieller Techniken, die sich von den Abläufen beim rechtshändigen Kind unterscheiden. Dazu gehören: das Schreiben, Schneiden, Anspitzen, eine Schleife binden, das Nähen, Sticken, Stricken, Häkeln und das Musizieren.
Sinnvolle Gebrauchsgegenstände unterstützen die Motivation, die Freude und das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten
FGebrauchsgegenstände, die für Linkshänder*innen entwickelt sind, sollen linkshändigen Kindern von Anfang an zur Verfügung stehen. Altersentsprechend können dies sein:
- händigkeitsneutrales Spielzeug
- Schreibunterlage:
Es gibt Schreibunterlagen, auf denen die optimale Blattlage und Handhaltung für Linkshänder*innen zur Orientierung eingezeichnet sind. - Schreibmaterialien:
U.a. spezielle Füllhalter für Linkshänder*innen, z.B. aus dem griffix Schreiblernsystem - Schere:
Bei Scheren für Linkshänder*innen sind die Schneideblätter im Gegensatz zur Variante für Rechtshänder*innen spiegelbildlich angeordnet. - Anspitzer:
Wie bei der Schere ist auch ein Anspitzer für Linkshänder*innen spiegelbildlich gefertigt, sodass die Drehrichtung zum Anspitzen andersherum ist. - Lineal:
Bei Linealen für Linkshänder*innen sind die Zahlen von rechts nach links angeordnet, dies kommt der Blick- und Bewegungsrichtung entgegen. Kommt es zum Einsatz, muss das Kind allerdings gegen die Lese- und Schreibrichtung arbeiten. - Brotmesser, Dosenöffner u.v.m.
Zu beachten ist, dass die individuelle Abwägung, welche Gebrauchsgegenstände (Alltag, Kindergarten, Schule, Beruf) Linkshänder*innen brauchen, im Vordergrund steht.
Schreiben mit links – auf die Haltung kommt es an
Stellvertretend für die vielen Bereiche im Leben eines Linkshänders oder einer Linkshänderin soll das Schreiben mit der linken Hand am Tag der Linkshänder*innen einen besonderen Stellenwert bekommen und nachfolgend mit Tipps und Übungen vorgestellt werden. Gerade rechtshändige Eltern von linkshändigen Kindern sind oft rat- und hilflos, wie sie ihren Kindern helfen können.
Erinnern Sie sich an das linkshändige Unterzeichnen von Ex-Präsident Barack Obama oder Prinz William? Eine eingedrehte linke Hand, die auf dem Geschriebenen liegt. Bei dieser Hakenhaltung ist das Handgelenk beim Schreiben überstreckt. Das Stiftende zeigt deutlich vom Körper weg und die Stiftspitze ist zum Körper gerichtet. Ein Verwischen der Tinte ist unvermeidbar. Es ist die ungünstigste Art zu schreiben, denn durch das Überstrecken des Handgelenkes zeigt der mit links Schreibende schnell Ermüdungserscheinungen. Der Schreiblernprozess bei linkshändigen Kindern sollte daher von Anfang an fachlich gut begleitet werden.
Mit links den Stift im Griff
Schreiben lernen stellt für die Kinder eine hohe Herausforderung dar und ist ein komplizierter und anspruchsvoller Prozess. Eine lockere Schreibhaltung ist dabei besonders wichtig. Folgende Übungen können den Schreiblernprozess unterstützen, indem sie die Hände aufwärmen und die Handmuskulatur vor dem Schreiben auflockern:
- Hand und Finger durch leichtes Aufschütteln lockern
- Handgelenk der Schreibhand drehen (z.B. Wink- oder Rührbewegung)
- Daumen und Zeigefinger der Schreibhand aufeinanderlegen und Beuge- und Streckbewegung machen
- Fingertapping: alle Finger berühren nacheinander den Daumen
Nachfolgende Faktoren sind beim Schreiben mit der linken Hand zu beachten:
Sitzposition: Das linkshändige Kind sitzt links aussen oder neben anderen Linkshänder*innen. Die Bewegungsfreiheit des Schreibarms wird eingeschränkt, wenn das Kind neben einem rechtshändigen Kind sitzt. Der Lichteinfall ist am günstigsten von rechts oder von vorn.
Körperhaltung: Eine aufrechte, lockere Körperhaltung hilft, Verspannungen zu vermeiden, um Kopf- und Rückenschmerzen sowie Haltungsschäden entgegenzuwirken.
Unterarm und Handgelenk: Liegen auf dem Tisch
Stifthaltung: Der Stift wird zwischen Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger der linken Hand gehalten (spiegelbildlich zur rechtshändigen Stifthaltung). Daumen und Zeigefinger stehen sich gegenüber und können sich locker vor und zurückbewegen.
Blattlage und Neigungswinkel: Das Blatt liegt etwas links der Körpermitte und ist leicht im Uhrzeigersinn gedreht (30-60° Winkel). Das Stiftende zeigt zum linken Ellenbogen. Die Hand bleibt immer unterhalb der Schreiblinie.
Schreibrichtung: Von links nach rechts, Buchstaben und Wörter sollen sowohl am linken als auch am rechten Blattrand stehen.
Lage der rechten Hand: Die rechte Hand liegt am rechten Blattrand, etwa auf Zeilenhöhe.
Schreiben unter der Zeile: Durch die Schräglage des Blattes ist das Schreiben unter der Zeile möglich und verhindert ein Verwischen der Tinte und das Abdecken durch die linke Hand auf das bisher Geschriebene.
Probleme, die Linkshänder*innen heute in der rechtshändig orientierten Welt haben, können durch einen angemessenen Umgang mit dem Thema Linkshändigkeit gelöst werden.
Die „Erste deutsche Beratungs- und Informationsstelle für Linkshänder und umgeschulte Linkshänder e.V.“ in München bietet kompetente Hilfe und Unterstützung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene an. Frau Dr. Johanna Barbara Sattler ist Leiterin des Vereins. Sie setzt sich seit Jahren erfolgreich für die Bedürfnisse von Linkshänder*innen und umgeschulten Linkshänder*innen ein. Ihre zahlreichen Publikationen geben einen tiefen Einblick in das Leben der Linkshänder*innen.
Erschienene Publikationen von Frau Dr. J.B. Sattler zum Thema Linkshändigkeit:
- Der umgeschulte Linkshänder oder Der Knoten im Gehirn
- Die Psyche des linkshändigen Kindes
- Das linkshändige Kind – seine Begabungen und seine Schwierigkeiten
- Linkshändige Kinder im Kindergartenalter
- Das linkshändige Kind in der Grundschule
- Schreiben und Hantieren mit links
- Übungshefte für Linkshänder
- Schreibvorübungen für Linkshänder mit Jobasa
Weitere interessante Informationen zum Thema Linkshändigkeit finden Sie auf der Internetseite des Vereins: www.lefthander-consulting.org
Claudia Heinig
Linkshänder-Beraterin nach der Methode Dr. Sattler